Regierungssprecher Steffen Seibert will Politik erklären und gerät ins Schwärmen
Bei so viel Begeisterung für den Politikbetrieb blieben kritische Nachfragen aus dem Publikum nicht aus: Ob das Modell der parlamentarischen Demokratie nicht überholt sei, wollte ein junger Mann wissen. Sinkende Wahlbeteiligungen und der Erfolg der Piraten seien doch beste Beispiele dafür.
„Die rückläufige Wahlbeteiligung macht mir tatsächlich Sorgen“, räumte Seibert ein. Aber er kann der aktuellen Entwicklung etwas Positives abgewinnen; „Der Erfolg der Piraten zeigt doch, dass man die Menschen wieder an die Urnen bringen kann.“ Die Piraten seien deswegen aber „kein Allheilmittel“, so Seibert weiter. Denn das Internet habe die Einstellung der Deutschen zur Politik verändert: „Innerhalb von einer halben Stunde hat man dort alles zu einem Thema gefunden und sich mit Gleichgesinnten vernetzt.“ Gerade junge Wähler seien sehr wohl politisch engagiert, aber „leider meist nur bei einem speziellen Thema“.
„Aber man trifft Obama!“
Um die Wähler wieder mehr für die Politik zu gewinnen, sei es wichtig, dass Politiker „Worte finden, die die Menschen verstehen“. So habe er sich vorgenommen, als Regierungssprecher niemals „Haushaltskonsolidierung“ zu sagen. „Aber es ist verdammt schwer, so zu sprechen, wie man es zu Hause tun würde.“
„Vermissen Sie es nicht, kritische Fragen stellen zu können“, wollte ein Schüler eines Tuttlinger Gymnasiums von Steffen Seibert wissen. „Aber das tue ich doch den ganzen Tag. Nur eben nicht in der Öffentlichkeit“, versicherte dieser. Dem jungen Mann war dies aber nicht genug: „Als Journalist konnten Sie den US-Wahlkampf kritisch begleiten, das geht jetzt nicht mehr.“ „Das stimmt. Aber dafür treffe ich Obama“, antwortete der Regierungssprecher mit Stolz in der Stimme.
Seine Arbeitszeiten seien nicht besser geworden im Vergleich zum ZDF-Job. Auch müsse er die Kanzlerin bei allen Auslandsreisen begleiten und sich drei Mal pro Woche bei der Regierungspressekonferenz „grillen lassen“. Was übrigens ein „schönes demokratisches Ritual“ sei. Dort sind die Journalisten die Gastgeber und „ich muss bleiben, bis alle ihre Fragen gestellt haben“.
„Es war ein riesiges Glück“
Das Amt des Regierungssprechers sei eine Herausforderung, der er sich jeden Tag gerne aufs Neue stelle, sagte Steffen Seibert. „Als ich zum Bewerbungsgespräch ins Bundeskanzleramt zu Angela Merkel ging, kam mir das alles sehr surreal vor“, erinnert er sich.
Bei so viel Leidenschaft für den Beruf konnte ihn auch das Rechenbeispiel von Tobias Schumacher, Moderator des Abends, nicht schrecken: „Das durchschnittliche Verfallsdatum eines Regierungssprechers liegt bei zweieinhalb Jahren“, hatte dieser verkündet. Steffen Seibert konterte mit einem breiten Lachen und versicherte: „Es war ein riesiges Glück für mich, dass ich dieses Angebot bekommen habe. Und am Ende einer Woche bin ich immer noch froh, es angenommen zu haben.“