Schullandschaft bewegt die Gemüter
So gut besucht wie am Mittwochabend in der Germania war eine Veranstaltung des CDU-Stadtverbandes Trossingen seit langer Zeit nicht. Behandelt wurde die Landesschulpolitik, ein derzeit auch in Trossingen heiß diskutiertes Thema.
Trossingen. Mit dem Landtagsabgeordneten Georg Wacker, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und ehemaliger Staatssekretär, sowie Landtagspräsident Guido Wolf konnte Trossingens CDU-Stadtverbands-Vorsitzender Werner Hauser aber auch „geballte Fachkompetenz“ begrüßen, die bereits den ganzen Tag über im Landkreis auf bildungspolitischer Tour unterwegs gewesen ist .
Man wolle ja bei der Weichenstellung der aktuellen Bildungspolitik von Rot/Grün nicht alles schlecht reden, meinte Guido Wolf, aber man müsse den Finger da heben, wo es in die falsche Richtung gehe. Wolf ging dabei auch auf das Thema „Inklusion“ ein und betonte, dass der Landkreis Tuttlingen bereits ein hervorragend funktionierendes System mit sogenannten „Außenklassen“ habe. „Dieses bewährte System wollen wir nicht zerschlagen lassen.“
In Bezug auf die Gemeinschaftsschule betonte Wolf: „Die Bildungspolitik in Baden-Württemberg hat sich zu einer der besten deutschlandweit entwickelt und dies darf nicht kaputt gemacht werden.“ Lokale Betroffenheit herrsche in Trossingen, da der gestellte Antrag auf Gemeinschaftsschule abschlägig beschieden worden sei.
Aus den angekündigten 30 wurden dann 32 Minuten, die der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Georg Wacker nutzte, um, wie bereits tags zuvor in Fischbach geschehen (wir hatten berichtet) seine Sichtweise über die künftige Struktur der Gemeinschaftsschule und deren Auswirkungen zu verdeutlichen. „Wir haben jetzt ein leistungsstarkes Bildungssystem, das weiterentwickelt werden muss, und es gibt keine Gründe für diesen Systemwechsel“, betonte Wacker.
In der anschließenden Diskussionsrunde führten einige der Teilnehmer, die aus der weiten Region gekommen waren, einen Schlagabtausch. So meinte Jochen Schwarz als Berufsfachschulleiter Metall der Erich-Hauser-Gewerbeschule in Rottweil und stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender von Rottweil, es herrsche ein diffuses Bild von der Gemeinschaftsschule. „Die Gemeinderäte werden erpresst, trauen sich aber nicht die eigene Schule zu schließen, doch andere Schularten werden durch die Gemeinschaftsschule zerstört, die zweijährige Berufsfachschule geht personell auf dem Zahnfleisch. Es sei gar keine Gemeinschaftsschule, sondern „ein krankes Schulsystem – ein Kuschelschulmodell“. Albert Grimm, Schulleiter der Werkrealschule von Aldingen, betonte die Leistung der Hauptschule seit vielen Jahren mit der Integration von Ausländern und Aussiedlern: „Das hat keine andere Schule getan.“ Für Aldingen sei die Gemeinschaftsschule eine große Chance“, so Grimm.
Realschulrektor Michael Seiberlich von der Ludwig-Uhland-Realschule in Tuttlingen zeigte sich als vehementer Verfechter der Dreigliedrigkeit. Ebenso deutlich war seine Ablehnung des neuen Lehrer-Rollenbildes.
Fraktionssprecher Clemens Henn von der CDU Trossingen ging den aktuellen Plänen in der Region nach. „Nachdem Aldingen Gemeinschaftsschule wird, ist diese für Trossingen gestorben. Trossingen kann nur die Zusammenarbeit mit der Realschule anstreben, um den Standort zu halten. Wir müssen die Gemeinschaftsschule in irgendeiner Weise einführen“, so Henn. Gleichzeitig äußerte er Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit: „Man kann nicht Äpfel mit Birnen vermischen und so werden die Ergebnisse dann auch bei uns aussehen wie in Hamburg oder Bremen. Muss es wirklich sein, in dieses Abenteuer hineinzulaufen?“
Ähnlich sieht dies Fraktionskollege Hans Trümper: „Wir hatten in Trossingen bisher ein transparentes System, das funktioniert hat“, betonte Trümper als Gemeinde- und Kreisrat der CDU. Die neue Landesregierung habe es sich augenscheinlich zum Ziel gemacht, möglichst viele Schüler bis zum Abitur zu führen – auch wenn sie nicht dafür geeignet seien. „Bei uns komme es in Zukunft wie in Frankreich „es werden Privatschulen entstehen“, ist sich Trümper sicher.
Ganz andere Töne kamen von den Hauptschullehrern. Thomas Happle, Lehrer der Löhrschule, meinte, die Bevölkerung habe sich bereits bei der Landtagswahl für die Gemeinschaftsschule entschieden. „Der große Wunsch nach Veränderung der Bildungslandschaft hat die Wahl beeinflusst“, so Happle. Das Ausbluten der Hauptschulen habe längst begonnen – trotz größter Anstrengungen laufen der Hauptschule die Schüler davon. „Das dreigliedrige System funktioniert nicht mehr.“ Auch seine Kollegin Eva Dressel-Messner stieß ins selbe Horn. „Sollen wir warten bis wir an der Löhrschule keine Fünftklässler mehr haben? Wir haben mit den jungen Kollegen ein Konzept entwickelt und fangen damit im September an.“
Die Frage von Rektor Bernd Scharfenort an Guido Wolf und Georg Wacker: „Wie soll es weitergehen mit der Werkrealschule, was ist zu tun?“, wurde nicht konkret beantwortet, aber so der Landtagspräsident: „Wir sollten uns vom Begriff der Dreigliedrigkeit verabschieden.“